Station 1

Pfarrer Umfrid - damals und heute

Umfrids Überzeugung und Prägung

Einfluss des Vaters

Vom Denken und Handeln des Vaters her entwickelt Hermann Umfrid eine Sensibilität für soziale Themen und für das Leiden anderer Menschen. Mit seinem Interesse an Themen wie Friede und Gerechtigkeit und der Fähigkeit, politische Zusammenhänge klar zu analysieren, steht er in den Fußspuren des Vaters. Dieser hatte beispielsweise bereits 1896 bei einer flammenden Rede in Stuttgart sich in prophetischer Weitsicht gegen die Unterdrückung des armenischen Volkes und die sich anbahnenden Folgen gewandt und dabei die Haltung der deutschen Regierung kritisiert. Er stellt die Frage: „Seit wann sind denn die Deutschen so herzlos geworden?“ Er gab die realpolitische Antwort selber:„Seitdem sie nichts Höheres mehr kennen als ihre Nation.“ Und ermahnte: „Deutschland geht nicht über alles, die Menschheit steht höher.“

Bei seinen theologischen Lehrern Leonhard Ragaz und anderen lernt Hermann Umfrid Toleranz und Offenheit gegenüber Andersdenkenden. Dies, zusammen mit der Ablehnung jeglichen Partikularismus, war auch die Maxime der akademischen Studentenverbindung „Nicaria“, in der Umfrid Mitglied ist. In den jugendbewegten Kreisen – vor allem dem „Köngener Bund“ mit denen er sympathisierte – sieht man hinter allen Formen von lebendiger Religiosität eine göttliche Offenbarung. So galt es, andere Religionen nicht zu bekehren, sondern zu achten. Nach Umfrids Meinung war deshalb ein ökumenisches Gespräch und ein friedliches Zusammenleben der Religionen möglich, wenn man sich gegenseitig kennen- und schätzen lernt, den anderen in seiner Eigenheit achtet und mit seinen Eigenheiten akzeptiert. Die Voraussetzung dafür freilich ist, dass man selbstbewusst den eigenen Standpunkt kennt, reflektieren und dann auch vertreten kann.

Offenheit und Toleranz

Mitmenschlichkeit

„(...) Wahres Menschsein zeichnet sich dadurch aus, dass es für die anderen lebt und sich öffnet für die Not des Nächsten (...) Jesus ist eben Mensch und das Menschliche, das wirklich Menschliche, genügt ihm. (...) Er macht beim Gericht keinen Unterschied zwischen den Religionen, ob katholisch oder evangelisch oder heidnisch (...) auch aus welcher Partei unseres Volkes, rechts, links – ja auch welches Volk, ob Juden oder Deutsche oder einem afrikanischen Stamme. (...) Kriterium im Gericht ist allein, ob einer menschlich gesinnt war oder nicht.“

(Aus einer Adventspredigt Umfrids)

Umfrids Eintreten für Rechtsstaatlichkeit, das Gewaltmonopol des Staates und gegen individuelle Willkür war theologisch motiviert. Nach evangelisch-lutherischem Verständnis war es Sache der Obrigkeit, entsprechend des geltenden Rechtsbewusstseins zu handeln. Eben dagegen war von den staatlich nicht legitimierten Schlägern bei der Misshandlung jüdischer Männer im Frühjahr 1933 in Niederstetten eklatant verstoßen worden.

Recht und Gerechtigkeit